Taizé

"Gemeinsam Wege der Hoffnung öffnen." - Alois

Viel habe ich von Taizé gehört, immer nur positives. Und deshalb beschloss ich es mir selbst anzusehen. Und so fand ich mich im Bus von Karlsruhe nach Taizé wieder und fragte mich: "Lina, was machst du hier eigentlich?" Ich hatte mich so gut wie nicht vorbereitet und hatte so gut wie gar keine Ahnung, was mich da die nächsten Wochen erwarten würde. Meine Sitznachbarin machte mir da auch nicht wirklich Mut. Eine Freundin und ich tauften sie im Laufe der ersten Woche "das Biest". Sie fand es "süß", dass ich das erste mal in Taizé sein würde, schätzte mich auf 16 Jahre alt und meinte es wäre "schon ziemlich mutig" gleich 2 Wochen zu bleiben, ob ich mir da sicher sei? Nö, sicher war ich mir nicht, Unsicherheit hatte ich ab da an satt. Aber immer mit der goldenen Regel im Hinterkopf: "Nach Hause kommt man immer, wenn man es will." Es stellte sich schnell raus, dass ich nicht wollte.

Aber was ist Taizé? Vielen sagt das so gar nichts, also was sagt Wikipedia?

"Die Communauté de Taizé (Gemeinschaft von Taizé) ist ein internationaler ökumenischer Männerorden in Taizé, ungefähr zehn Kilometer nördlich von ClunySaône-et-LoireFrankreich. Bekannt ist sie vor allem durch die in Taizé und verschiedenen anderen Orten ausgerichteten ökumenischen Jugendtreffen, zu denen Tausende Besucher vieler Nationalitäten und Konfessionen kommen. Der Gründer und bis zu seiner Ermordung im Jahr 2005 als Prior der Gemeinschaft tätige Roger Schutz trug maßgeblich zu der heutigen Popularität bei, die sich ungebrochen fortsetzt."

Ich fuhr also in ein winziges Dorf irgendwo im Nirgendwo zwischen Dijon und Lyon, um dort zwei Wochen in einem "Kloster" zu verbringen, wie es mein Papa liebevoll ausdrückte und einige Menschen um mich herum auch verwunderte. Nie war ich der gläubigste Mensch und bin es heute noch immer nicht. Ich sah meine Berufung immer darin theologische Diskurse bis aufs kleinste zu hinterfragen und auch in Frage zu stellen und das passierte nicht nur in der Schule im Religionsunterricht. (Sollte meine Religion-Lehrrerin das hier lesen: liebste Grüße! Es tut mir wirklich leid, wie viele Nerven ich Sie gekostet haben muss und was für anstrengende Diskussionen ich immer wieder anzettelte. Aber ich habe gelernt!)
Da mein Papa, den ich sehr schätze und dem hier irgendwann auch noch eine Hymne gebührt, Theologe ist, wurden etliche Diskussionen auch zu Hause am Küchentisch geführt. Ich zweifelte immer daran, ob es wirklich klug ist an etwas zu glauben und fand immer mehr Missfallen an kirchlichen und vor allem freikirchlichen Gruppierungen, die bewusst andere Religionen, Nationalitäten oder sexuelle Orientierung ausschließen und diskriminieren. Und das alles auf dem Glauben an etwas unsichtbares basiert, das war mir sehr unsympathisch. 

Nach Taizé fuhr ich aus reinem Interesse und ich erfuhr das Gegenteil von dem, was sehr gläubige Menschen mir bisher entgegen brachten. Gut 2.000 Menschen verbringen ihre Tage, Wochen und teilweise Monate auf dem Gelände von Taizé. Ein eigener kleiner Kosmos, der selbstorganisiert erstaunlich gut funktioniert mit einzig und alleine der Hilfe Freiwilliger. 

Was ich in Taizé erlebt habe, hat mich geprägt und wird mich sicherlich noch sehr lange begleiten. Für mich war es ein Ort, an dem ich viele tolle Menschen kennenlernen durfte, unglaublich viel Spaß hatte, viel Zeit hatte und deshalb neue Ideen schaffen konnte. 
Außerdem hat mir diese Zeit Hoffnung gegeben für meine persönliche und auch die generelle Zukunft. Es wird so häufig gesagt, dass alles schlimmer wird, dass wir politisch, kulturell und sozial vor der Katastrophe stehen. Das hat mich oft demotiviert mit dem Gedanken, dass ich als kleines unwissendes Individuum am großen Ganzen nichts ändern kann. Das stimmt nicht. In Taizé habe ich gemerkt, dass gemeinsam so viel möglich ist und dass, wenn man gemeinsam was anpackt und sich gegenseitig fair behandelt, so viel Großes möglich ist und man zu Recht Hoffnung haben darf. Keine blinde naive Hoffnung, dass alles schon irgendwie gut geht, sondern ein fundiertes Hoffen auf das Gute, das man zusammen erreichen kann und das einen immer wieder motiviert. 

So oft habe ich mich neuen Leuten aus der ganzen Welt in Taizé vorgestellt und auf die Frage, was ich den studieren will, musste ich immer antworten, dass ich es nicht weiß.
Im Moment weiß ich es. Im Moment bin ich mir sicher. Mal sehen wie länglich bei meiner Idee bleiben werde. Aber bis ich mich wirklich entscheiden habe, wird es ein Geheimnis bleiben.


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