An Board

"Du wirst die Welt niemals richtig genießen, bis nicht das Meer durch deine Adern fließt, dich der Himmel zudeckt und die Sterne dich krönen."
- Thomas Traherne

Faszination für Wasser. Ein Gefühl, das mich begleitet, seit ich denken kann. Das Geräusch von fließendem Wasser, von brechenden Wellen, von Regen, der Tropfen für Tropfen för Tropfen in einer Pfütze landen. Das Gefühl von Meer an den Füßen und das perlende Nass auf der Haut. Es klingt pathetisch, doch Wasser ist etwas, das mich schon immer und immer wieder aufs neue fasziniert und mir so viel Ruhe gibt, wie kaum etwas anderes. Am Wasser ist das Leben besser. 
Meine Eltern erzählen immer wieder die Geschichte von mir als Einjährige, die das erste mal das Meer sah. Eingeschlafen im Fahrradanhänger schoben mein Eltern, die bald das zweite mal Eltern werden sollten mich durch die Dünen Hollands, ließen mich mit Meerblick stehen und gingen baden. Als sie zurück kamen und ich aufwachte starrte ich zutiefst beeindruckt Ewigkeiten auf die Nordsee vor mir. Erinnern kann ich mich natürlich überhaupt nicht. Aber das Gefühl, dass ich damals gehabt haben muss, packt mich heute immer noch. Sicherlich nicht so intensiv, wie ein Kind es empfinden kann und doch jedes Mal wieder überwältigend. 
Nachdem ich beschlossen hatte, dass ich nach Athen fliegen werde, buchte ich aus Neugier einen Segeltörn. Peloponnes hieß das Ziel und eine Woche an Board warteten auf mich. Die Vorfreude war riesig.
Es gibt schlaue Menschen, die behaupten, dass eine Reise nicht durch die Orte, die man sbesucht, besonders werden, sondern durch die Leute. Das mag stimmen, doch in dieser Woche wurde mir klar, dass diese Aussagen nicht unbedingt stimmen muss. Mit neun Personen auf einem knapp bemessenen Segelboot, mit Leuten, zu denen man keinen Draht bekommt, einer Gruppe, in der man sich nicht entfalten kann und auch nicht ehrlich sein kann, weil es eben nicht passt. Warum ist der Mensch immer und immer wieder nur dazu veranlagt sich zu präsentieren, zu scheinen, aber nicht zu sein und erst recht keine Zeit dafür aufwenden zu wollen dem anderen zuzuhören? Warum sind so viele Leute so unendlich unzufrieden mit sich selbst und dann noch unzufriedener mit allem, was sie umgibt? Wie zufrieden bin ich eigentlich? Was sind meine Baustellen, die ich vielleicht unbewusst auf andere projektiere? Mache ich selbst mehr Schein als Sein? Wie fair bin ich zu meiner Umwelt? Und ist das, wie ich nach außen bin auch das, was ich empfinde und gerne sein möchte? Das sind Fragen, die mich immer noch sehr beschäftigen und die in mir aufkamen, während ich viel Zeit mit mir alleine auf dem Boot verbrachte. Es war ein Nebeneinander und kein Gemeinsam in der Crew, was mich erst sehr unglücklich machte, aber worüber ich jetzt gar nicht mal so unglücklich bin. Die Situation zwang mich dazu mich mit mir selbst zu beschäftigen, die Umgebung und Natur ohne Ablenkung wahrzunehmen und zu genießen. 
Bei überwältigendem Sternenhimmel schlief ich zwischen dem Segel im Baum, wachte zum Sonnenaufgang auf, wurde bei Wellengang hin und her geworfen, immer den salzigen Wind um die Nase. Es gelingt mir nicht mal ansatzweise...ich kann es nicht ausdrücken. Freiheit, einfach nur pure Freiheit!
Ich habe mich verliebt. In das Meer, die Natur, die Freiheit, mein Leben, die Zukunft und natürlich das Segeln. Das erste mal in meinem noch ziemlich jungen Leben, merke ich, dass ich mein Leben selbst in der Hand habe. Ich weiß nicht, wohin die Reise für mich im Leben gehen wird. Aber ich habe endlich die Zeit mich zu orientieren in dieser großen Welt mit zig tausend Möglichkeiten, zu überlegen, was mich bereichert und was mich belastete. 
Ich bin mir selbst irgendwie dankbar, dass ich den Mut hatte diesen Törn zu machen und etwas komplett neues ausprobierte. Außerdem bin ich meinen Eltern unfassbar dankbar. Das muss unbedingt ausgeführt werden, aber nicht jetzt, denn dieses Thema hätte einen Roman verdient, oder mindestens einen eigenen Post. Und der wird kommen. 
Und jetzt? Jetzt möchte ich am liebsten direkt wieder auf ein Boot, ans Wasser, da wo ich innerhalb von Ruhe ausgefüllt werde.





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